Ein Bund zur Stärkung des Gemeinwohls

Schon das Wort Ökonomie löst bei manchen Menschen nebulöse Erinnerungen an Konzepte aus, die sie nie so richtig verstanden haben. Vereinfacht können diese komplexen Zusammenhänge unserer Wirtschaft auf einen einfachen Nenner gebracht werden: „Man kauft etwas für weniger und verkauft es für mehr.“ Aristoteles hat Ökonomie als die Wissenschaft beschrieben, einen Haushalt zu verwalten. Je mehr Haushalte sich zu Gemeinde zusammenschlossen, um ihr kollektives Überleben und ihren Wohlstand zu sichern, desto mehr wurden auch die ökonomischen Prinzipien ausgeweitet und auf ganze Gemeinschaften angewendet. Dörfer die erfolgreich wirtschafteten, wuchsen zu Städten heran. Später wurden daraus Nationalstaaten. Diese Nationalstaaten haben sich zum neuen Organismus der globalen Menschheit entwickelt. Durch den ausgelösten Globalisierungswahn, in dem wir uns alle die endlichen Ressourcen dieses Planeten teilen müssen, ist es notwendig geworden, unser Verständnis von Ökonomie zu überdenken und zu erweitern.

Geschichte

Im Lauf der letzten Jahrtausende sind menschliche Zivilisationen wie auch ihre Wirtschaftssysteme aufgestiegen und gefallen. Die gegenwärtige Krise kennzeichnet das Ende eines weiteren Zyklus, eines weiteren Todes. Aus der Beobachtung von Zeitreihen wirtschaftlicher Indikatoren leitete Nikolai Kondratieff 1926 den Schluss ab, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Wellen (sog. Kondratieff-Zyklen) erfolge, die jeweils ca. 50 Jahre dauern.

Als nächster großer Zyklus könnte sich das Thema „Lebensqualität“ als Antriebsfeder entwickeln. Unsere Gesellschaft hat einige Ideen, was zu einer nachhaltigen, stabilen Wirtschaft gehören sollte, die die Basis des nächsten Zyklus ausmacht. Zum Glück deuten sowohl die alten Weisheiten als auch die modernen Wissenschaften auf eine Lösung für unsere Not hin. Aus der Vergangenheit ist uns der alte Spruch überliefert: „Die Antwort liegt in dir.“

Wir möchten im Folgenden die ungeheuer erfolgreiche 50- Billionen-Zellen-Gemeinschaft des menschlichen Körpers als Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften betrachten. Die Ökonomie der Zellen hat den Dauertest bestanden, da sie den Fortbestand des menschlichen Körpers seit Jahrmillionen sicherstellt. Diese Körperökonomie hat sich als beständig und flexibel genug erwiesen, um sich permanent wechselnden Umweltbedingungen anzupassen. Daher können uns Zellgemeinschaften dabei helfen, ein erfolgreiches ökonomisches Grundmodell für die zwischenmenschliche Wirtschaft zu finden.

In der Zellökonomie geht es darum, Energie zu verteilen und zu nutzen, um zu arbeiten und zu produzieren. Was auch immer die Währung ist, seien es Euro, Äpfel oder Adenosin-Triphosphat-Moleküle: Alles beruht auf einem Austausch von Arbeit bzw. Energie. Um sich gesund zu halten verwendet der Körper Energie zur Beschaffung und Verarbeitung von Nahrung. Unsere Zellen entziehen dieser Nahrung die darin enthaltene Energie und lagern sie in Form von ATP-Molekülen, dem Geld der Zellen ein. ATP-Münzen werden zwischen den Zellen ausgetauscht, um die Kosten für Verdauung, Atmung, Bewegung, Fortpflanzung usw. zu decken. Energie, die über den Bedarf des Körpers hinaus erzeugt wird, stellt Vermögen, Reichtum und Wohlstand dar. Der Körper wandelt diese überschüssige Energie in Öl-Moleküle um. Die daraus resultierenden Fettreserven entsprechen dem Sparbuch des Körpers. Es speichert Fettmoleküle und zieht sie wieder ab, um das ATP-Geld immer in Bewegung zu halten und die Funktionen des Körpers sicherzustellen.

Eine gesunde Ökonomie kann nur existieren, wenn eine Gemeinschaft von Individuen mehr Energie erzeugt als sie verbraucht. Ein Landwirt beispielsweise muss zuerst genug produzieren um seinen eigenen Haushalt zu ernähren. Wenn er mehr produziert entsteht Vermögen. Bringt er sein Vermögen in Umlauf, erzeugt das Produktion, Verbrauch und Energietransfer mit und unter den Dorfbewohnern, die über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. Angesichts der heutigen Fixierung auf den Bereich des Materiellen überrascht es nicht, dass wir Vermögen in Besitz messen, insbesondere in Geld. Aristoteles erkannte schon vor 2500 Jahren: „Wer reich an Münzen ist, kann Mangel an notwendiger Nahrung haben.“ Aristoteles verstand, dass Menschen, die Geld um seiner selbst willen horten, oft das Instrument für Wohlstand, das Geld, mit dem eigentlichen Wohlstand verwechseln. Im Englischen kann Wohlstand mit „wealth“ übersetzt werden. Dieser Begriff leitet sich aus dem Begriff „weal“ ab, was Wohlsein bedeutet. Ursprünglich geht es also beim Wohlstand um Wohlbefinden, Gesundheit und Zufriedenheit.

Wenn wir die erfolgreiche Wirtschaft der Zellen mit unserem versagenden globalen Wirtschaftssystem vergleichen, können wir vier grundlegende Prinzipien erkennen:

  1. Wohlbefinden
  2. Ökologie
  3. Effizienz
  4. Währungsstabilität

1. Prinzip: Vermögen=Wohlstand=Wohlbefinden

Das Vermögen einer gesunden Ökonomie bemisst sich nach der Fähigkeit einer Gemeinschaft, mehr zu erzeugen, als sie zum Überleben braucht. In einer natürlichen Wirtschaft wird nur Vermögen angesammelt, wenn die Grundbedürfnisse jedes Einwohners gedeckt sind. In einem gesunden Körper gibt es keine Zellen, die irgendwo Energie horten, während an einer anderen Stelle Energie benötigt wird. Die Logik der Zellen ist ganz einfach: Eine gesunde, glückliche Bevölkerung produziert mehr Vermögen und Wohlstand für alle. Das wir das Wohlbefinden der Gemeinschaft nicht an erste Stelle gesetzt haben, sondern das Überleben des Stärksten, bedroht jetzt unser Überleben. Unser ökonomischer Niedergang wird durch die kulturelle Programmierung verschlimmert, die Wohlbefinden mit ökonomischem
Wohlstand gleichsetzt und Selbstwert mit Eigenkapital. Der Wert dieser Programmierung wurde durch das überraschende Ergebnis einer weltweiten Studie bloßgestellt, die 2003 in 65 Staaten durchgeführt und im britischen Magazin New Scientist veröffentlicht wurde. Die Daten zeigen, dass in Puerto Rico und Mexiko die zufriedensten Bürger der Welt leben, obwohl es
diesen Ländern wirtschaftlich nicht besonders gut geht. Die auf ihren Wohlstand so stolzen Amerikaner belegen nur den 16. Platz. Wirtschaftlicher Wohlstand bedeutet also nicht zwangsläufig Wohlbefinden.

2. Prinzip: Ökologie=Ökonomie

In den letzten 1200 Jahren wurde die westliche Welt darauf konditioniert, zu glauben, dass Menschen von der Umgebung, in der sie leben, getrennt seien. Diese verzerrte Wahrnehmung von unserem Ursprung gehen beide davon aus, dass die Menschen mit ihrer Umgebung keine existentielle Verbindung haben. Vor allem haben wir verkannt, dass unsere Umgebung die Hauptquelle unseres Vermögens ist. Die Ökonomen Carl H. Wilken und Charles Walters demonstrierten, wie alles Vermögen einer Wirtschaft auf naturgegebenen Rohstoffen beruht. Wilken erklärt: „Jeder neue Reichtum stammt aus dem Boden.“ Ob es Baumfrüchte oder Feldfrüchte sind, Tiere oder Mineralien – alles, was einen greifbaren Wert hat, kommt aus der Erde. Selbst in der heutigen Cyberökonomie könnten wir ohne die von der Erde produzierten Güter nicht überleben. Die Natur ist das Füllhorn ewigen Reichtums. Die Natur versorgt die Menschheit mit einer Vielfalt lebenserhaltender Güter, die aus wirtschaftlicher Sicht als Waren und Dienstleistungen gelten. Die globalen Krisen zwingen uns jetzt allerdings, in unseren ökonomischen Entscheidungsprozess dem Beitrag der Natur das angemessene Gewicht zu geben. Die Menschheit beginnt zu erkennen, dass eine Vernachlässigung der Dienstleistungen des Ökosystems die Qualität unseres Daseins erheblich beeinträchtigt. 1997 wurde im Magazin Nature eine ausführliche Studie veröffentlicht, zu der Biologen, Klimatologen, Ökonomen und Ökologen aus vielen amerikanischen Universitäten beigetragen hatten. Sie hatten erstmals versucht, den wirtschaftlichen Beitrag der Natur zu errechnen. Die Wissenschaftler kamen zu der Schätzung, dass der monetäre Wert aller Dienstleistungen der Natur mindestens 33 Billionen Dollar jährlich beträgt. Dies entspricht dem Doppelten des Bruttosozialproduktes der gesamten Welt. Unser Überleben erfordert, dass wir diesen erheblichen Beitrag der Natur in unsere ökonomischen Strategien miteinbeziehen.

3. Prinzip: Effizienz

Alle Lebewesen müssen ihre Ökonomie erfolgreich verwalten, um zu überleben und zu gedeihen. Der Wohlstand eines Organismus hängt davon ab, mehr Energie zu erzeugen, als er verbraucht. In einer Wirtschaft, die von der Gier nach Geld beherrscht wird, gilt es als völlig akzeptabel, unersetzliche Naturgüter zu verbrauchen und es noch als ökonomischen Erfolg zu verbuchen. Diese selbstsüchtige Sichtweise hat unsere Wirtschaft aus der Bahn geworfen. Unsere unnatürliche und auf ewiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaft stößt an seine natürlichen Grenzen. Die effizienteste Ökonomie ist jene, die pro Energie-Einheit das größte Wohlbefinden hervorbringt.

4. Prinzip: Stabile Währungen

Geld wird durch drei Eigenschaften definiert: als Tauschmittel, als Verrechnungseinheit und als Wertspeicher.
1.Funktion – Austauschmedium: ATP ist ein Austauschmedium, das über Raum und Zeit hinweg transportiert werden kann. Ähnlich wie Bargeld sind ATP-Einheiten austauschbar, womit sich die Unannehmlichkeiten des Tauschmarktes vermeiden lassen. Wenn nur Waren ausgetauscht werden kann es schwierig werden: Ölwechsel und Wintercheck im Sonderangebot – für nur drei Hühner und einen halben Fisch.
2.Funktion – Verrechnungseinheit: Jedes ATP-Molekül repräsentiert eine bestimmte Menge an nutzbarer Energie. ATP ist eine Verrechnungseinheit, denn es bildet eine standardisierte Maßeinheit für den Marktwert von Waren und Dienstleistungen. Verrechnungseinheiten vereinfachen den Austauschprozess erheblich: Ölwechsel: 15 ATP, Wintercheck: 35 ATP. Das ist praktischer als den Wert eines halben Fisches zu ermitteln.
3.Funktion – Wertspeicher: ATP ist auch ein Wertspeicher, weil es als Ware und als Währung zuverlässig gespart, gespeichert und wiederverwendet werden kann. Der energetische Wert eines vor Millionen Jahren gespeicherten ATP-Moleküls ist heute genau der gleiche wie zu seines Entstehung. Dollar, Euro, Yen und Franken wechseln dagegen praktisch jede Minute ihren Wert.
ATP ist Warengeld, d.h. eine Währung, die auf dem Wert dessen beruht, woraus sie gemacht ist. Die Währung der menschlichen Zivilisation ist seit Langem repräsentatives Geld, das zwar in einer direkten Beziehung zu der Ware steht, die seinen Wert bestimmt, jedoch selbst nicht daraus besteht. Ein Beispiel dafür war der Dollar zu jener Zeit, als jede Dollarnote noch einer bestimmten Menge Silber entsprach.
Die heutigen Währungen sind alle Fiatgeld, also eine Währung, deren Wert von einer Institution bestimmt und durch einen Kreditprozess erzeugt wird.
 Fiatgeld erhält seinen Wert nicht durch irgendwelche Edelmetalle
 oder Waren und Dienstleistungen, sondern durch die offizielle Verordnung, dass es als Zahlungsmittel akzeptiert werden muss. Thomas Jefferson: „Papier ist Armut …, es ist nur der Geist des Geldes, nicht das Geld selbst.“ Jefferson erkannte, dass es einer Nation, die dieses Geld verwendet, schlecht ergehe, denn jene, die das Geld herausgeben, würden allein seine Verfügbarkeit und seinen Wert bestimmen.

Ich habe gute Neuigkeiten. Es wird tatsächlich Frieden auf Erden geben. Ich hoffe nur, dass wir Menschen noch da sein werden, um uns daran zu erinnern.

Swami Beyondananda
Quelle: Bruce H. Lipton, Steve Bhaerman „Spontane Evolution“ – Wege zum neuen Menschen