Tappen Sie niemals in diese Falle
Die Hauptursache der aktuellen Finanzkrise liegt in der um sich greifenden Versuchung, Geld nur mit Geld und nicht mit Wertschöpfung von Waren und Dienstleistungen zu verdienen. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass diese Entwicklung auch noch mit geliehenem Geld verschlimmert wurde. Diese Mentalität der Ohne-Wert-Schöpfung breitet sich in unserer Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür aus. Das Shareholder Value Prinzip, also die Ausrichtung des Unternehmenserfolges auf eine Maximierung des Gewinns, hat die Fehlleitung von wirtschaftlichen Ressourcen, die heute unter anderem in der Zerstörung unserer Umwelt sichtbar werden, hervorgerufen. Diese reine Gewinnorientierung verhindert Investitionen und Innovationen. Geldgetriebenheit, sichtbar in Bonussystemen mit falschen Anreizen, haben uns an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geführt. Gewinn und Wachstum sind wichtige Kennzahlen auf dem Weg zu wirtschaftlichem Erfolg, aber sie genügen bei weitem nicht. Sie sind nicht die Ziele wirtschaftlicher Aktivität, sondern die Folge.
Wer trägt die Schuld an dieser Entwicklung?
Auf der einen Seite stehen hier natürlich die Spieler mit ihren Pyramidensystemen und die von hohen Gewinnmargen verführten Finanziers. Auf der anderen Seite stehen die Anleger, die sich nicht mehr nur mit Renditen von zwei oder drei Prozent auf ihre Ersparnisse begnügen wollten. Diese Gier hat breite Schichten unserer Gesellschaft erfasst. Wohlstand für alle setzt eine Gesellschaft voraus, in der der Beitrag der Einzelnen zum allgemeinen Wohl hoch bewertet wird. Der entscheidende Punkt ist Verantwortung. Dafür Sorge zu tragen, dass Dinge einen guten und nachhaltigen Verlauf nehmen. Dazu ist es notwendig, den Focus von einer extrem kurzfristigen Perspektive des Handelns auf die langfristigen Auswirkungen des Tuns zu richten. In einem Umfeld vom kurzfristigen Trading bis zur absurd kurzen Zeitbasis zur Berechnung von Managereinkommen hat eine Atemlosigkeit um sich gegriffen, in der Verantwortung nicht gedeihen kann. Verantwortung verlangt Nachhaltigkeit. Was in den letzten Jahren an den Finanzmärkten geschah, hat nichts mit Verantwortung und Nachhaltigkeit zu tun. Diese Entwicklung der letzten Jahre hat ein Wirtschaftswissenschaftler bereits vor über 30 Jahren vorhergesagt. Mit beachtlicher Verspätung werden seine Ideen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Der bisher völlig unbekannte amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Hyman Minsky stand seit jeher den Kräften des Turbokapitalismus äußerst kritisch gegenüber. Minskys Ideen besagen, dass in einer langen, stabilen wirtschaftlichen Aufschwungphase die professionellen Anleger immer mutiger werden. Auf der Jagd nach Rendite verschulden sie sich höher und höher und gehen größere Risiken ein, ohne sich dabei ausreichend abzusichern. Das Spekulationsfieber bricht aus. Das Motto: Es wird schon weiter aufwärts gehen. Sie ignorieren dabei den gesunden Menschenverstand. Irgendwann kippt der Markt, weil die Investitionen nicht mehr genügend Ertrag bringen, um die steigenden Zinslasten zu zahlen. Darauf kündigen die Gläubiger die Kredite und zwingen die Investoren auch ihre weniger riskanten Investitionen schnell zu Geld zu machen, um sie auszuzahlen. Das ist der Moment, bei dem durch hektische Verkäufe von allem, was noch etwas wert ist, selbst sichere Anlagen in den Abwärtsstrudel gezogen werden. Die Spekulationsblase platzt, dem Pyramidenspiel wird die zum Atmen notwendige Luft abgewürgt. Dadurch werden weitere Werte vernichtet, weitere Kredite werden notleidend, weil die geliehenen Summen nicht mehr durch den Anlagewert gedeckt sind. Die Schuldner müssen nachschießen und verkaufen weiter.
Der Kapitalismus – eine einzige Krise
Die landläufige Meinung ist, dass Krisen nur durch äußere Faktoren, wie Kriege oder Katastrophen, ausgelöst werden können, die mit der Wirtschaft als solches nichts zu tun haben. Minsky setzt dem entgegen, dass Finanzkrisen zum kapitalistischen Wirtschaften gehören – also aus dem System selbst entstehen. Kurz gesagt: Im Kapitalismus ist die Krise immer vorprogrammiert. Wirtschaftsexperten sind seit langem von diesen immer wieder auftretenden Systemkrisen fasziniert. Der Grund für dieses Interesse liegt darin, dass die Beständigkeit der Krisen und die daraus resultierenden Zusammenbrüche sich der heiligsten Hypothese widersetzt, auf der die gesamten Wirtschaftswissenschaften aufgebaut sind: Märkte sind rational, sie werden vom völlig rationalen Homo oeconomicus gesteuert. Das Konzept des „Homo oeconomicus“ ist der psychologische Grundpfeiler der Wirtschaftswissenschaften. Definiert wird er als „rational handelndes Individuum“. Das bedeutet, dass der Mensch eine bestimmte Vorstellung davon hat, wie die Ökonomie funktioniert und dass er immer vernünftig handelt. Doch Menschen wissen nie genau, welches ökonomische Modell wahr ist und welche Folgen ihre Handlungen haben. Daher neigen sie dazu, sich den anderen anzupassen. Der sogenannte Herdentrieb ist ein solcher Denkfehler. Und so kann sich die ökonomische Realität ganz anders entwickeln als gedacht und den Menschen schnell um die Ohren fliegen.
Mit steigender Wirtschaftskraft steigen natürlich auch die Gewinn-erwartungen und damit die Vermögenspreise. Mit der Aussicht auf höhere Gewinne verschulden sich die Akteure stärker, um sich neues Kapital, ein Häuschen oder Aktien zu kaufen. Die Leute werden immer unvorsichtiger – sie unterschätzen die Risiken und überschätzen die Gewinn- und Renditeerwartungen; gleichzeitig steigt die Verschuldung. An diesem Punkt braucht es nur noch eine kleine Erschütterung, und das System stürzt in sich zusammen. Bleiben die Gewinne plötzlich hinter den immer höheren Erwartungen zurück, fallen die Vermögenspreise und die Marktteilnehmer gehen reihenweise Pleite. Dann bekommen auch die Banken Angst und verweigern Kredite. Die Liquidität versiegt und bringt die Spekulanten in Bedrängnis. Am Ende steht ein Verfall der Vermögenspreise, Massenpleiten, ein Rückgang der Investitionen und die Deflation. Das instabile Finanzierungssystem reißt die reale Wirtschaft mit in den Abgrund. Arbeitslosigkeit und Wohlstandseinbußen sind die logischen Konsequenzen aus dieser Entwicklung. Die bisherigen Maßnahmen zur Lösung der Finanzkrise haben zwar einen Zeitgewinn gebracht, aber so gut wie keine der Ursachen wurde dadurch beseitigt. Mit den riesigen Finanzmitteln hat man die alten Strukturen zementiert, statt die nötigen Veränderungen herbeizuführen.
Pyramidenspiel ade
Langsam wird den Menschen bewusst, dass sie selbst Teil eines gigantischen Pyramidenspiels sind. Leider kennt unser heutiges Finanzsystem nur ein paar wenige Gewinner. Die breite Masse der Investoren wird in dieser Art von System immer auf der Strecke bleiben. Daher kann es heute für den Investor nur darum gehen, dieses Spiel nicht mitzuspielen und sich auf Anlageformen zu konzentrieren, die nicht beliebig vermehrbar und manipulierbar sind. Vermögen aufzubauen heißt in Sachwerte zu investieren. Dies ist der einzige Weg, nicht in die Minskyfalle zu tappen.