Bauern unter enormen Druck: Agrarkosten auf Rekordniveau
Die Kosten explodieren im Bereich landwirtschaftlicher Betriebsmittel und Investitionsgüter. Experten sprechen bereits von einem Anstieg in historischer Dimension. Das hat schwerwiegende Folgen für die Agrarwirtschaft.
Rohstoffknappheit und unterbrochene Lieferketten sorgen für Kostenexplosion
Landwirte müssen zurzeit so viel wie nie zuvor für Betriebsmittel ausgeben. Vor allem in den Bereichen Dünger, Pflanzenschutz, Energie, aber auch Maschinen und deren Wartung klettert die Kurve konstant nach oben. Gleichzeitig steigen die Erlöse nicht. Das letzte Mal wurde ein derart starker Preisauftrieb im Vorfeld der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 beobachtet. Nun könnte es jedoch noch schlimmer kommen, denn damals waren die Einkaufspreise nicht so hoch wie jetzt.
Die Ursachen für den exorbitanten Kostenanstieg sind zum einen die unterbrochenen Lieferketten. Aktuell ist einer der weltweit größten Häfen in China lahmgelegt, was den Fluss der globalen Warenströme extrem beeinträchtigt. Ein weiterer Grund für diesen in der Geschichte einmaligen Preisanstieg: die weltweite Rohstoffknappheit, an der sich erst einmal nichts ändern wird. Ein die Krise verstärkende Faktor ist die derzeitige Preisentwicklung für gewerbliche Produkte. Daraus lassen sich frühzeitig die Tendenzen für die Kosten ableiten, die in Wirtschaft und Landwirtschaft zu erwarten sind.
Momentan liegt die Verteuerung bei 10,7 % im Bereich der Vorprodukte – auch das ist ein neues Höchstniveau. Betroffen sind Landwirte und Tierhalter gleichermaßen. Zwar ist die Agrarwirtschaft einiges an Kummer gewöhnt und musste immer wieder Preissteigerungen in einzelnen Sektoren verkraften. Doch die Breite dieser rollenden Kostenlawine ist neu.
Kosten klettern in astronomische Höhen
Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sind die Kosten für landwirtschaftliche Betriebsmittel im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 % gestiegen. Das ist ein weiteres Rekordhoch. Besonders betroffen von der Teuerung sind Futtermittel, deren Preise um 13 %, im Bereich Eiweißfuttermittel sogar um 17 % nach oben schnellten. Dünge- und Pflanzenschutzmittel kosten durchschnittlich 4 % mehr. Besonders steil geht die Preiskurve bei Mineraldünger nach oben. Hier liegt die Verteuerung bei 7 %. Steigende Getreidepreise verursachen einen Anstieg der Kosten bei Saat- und Pflanzgut. Rund 4,4 % mehr als im Vorjahr müssen Landwirte ausgeben. Alleine gegenüber dem letzten Quartal 2020 betrug der Preisanstieg hier 3 %.
Treibstoffe, Strom und Energie sind weitere Preistreiber. Statt der von der Bundesregierung versprochenen Entlastung im Bereich Strom aufgrund der neuen CO2-Steuer ist genau das Gegenteil eingetreten. Strom war nie teurer und Landwirte werden mit 4,2 % mehr zur Kasse gebeten. Auf den ersten Blick nicht dramatisch ist der Preisanstieg bei Energie- und Treibstoffkosten. Hier sind es nur 0,5 % mehr als im Vorjahr. Verglichen mit dem letzten Quartal 2020 sind es jedoch 4 % und bei den Treibstoffen sogar 6,3 %!
Wer jetzt eine Zugmaschine anschaffen will, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Die Preise sind um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bei anderen landwirtschaftlichen Maschinen zeigen sich ähnliche Preissteigerungen zwischen 3,5 und 4,5 %. Selbst bei den Instandhaltungskosten von Maschinen sieht es nicht besser aus. Bauern zahlen 7,3 % mehr für Wartungen und Reparaturen. Aufgrund der Preissteigerung bei Baumaterialien verteuern sich die Kosten für landschaftliche Bauten um 6,6 %. Generell ist aktuell kein guter Zeitpunkt für Investitionen. Denn Waren und Dienstleistungen für landwirtschaftliche Investitionen schlagen mit durchschnittlich 4,2 % mehr zu Buche. Einziger Lichtblick: Die Veterinärkosten. Immerhin die bewegen sich noch auf dem Vorjahresniveau.
Erst einmal kein Ende der Entwicklung in Sicht
Ist ein Ende dieser Entwicklung in Sicht? Einen Anhaltspunkt liefern die Preise für gewerbliche Produkte, die als eine Art Frühindikator für Kosten in der Industrie und der Landwirtschaft gelten. Der Preisanstieg wurde für Mai auf 7,2 % bestimmt, bei Vorprodukten sind es sogar 10,2 %. Gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamt war ein ähnlich hoher Anstieg das letzte Mal im Oktober 2008 zu beobachten. Damals kletterten die Preise vor der Wirtschafts- und Finanzkrise in die Höhe.
Nahezu alle Kostenarten steigen kontinuierlich ein. Die gewerblichen Energiepreise bewegen sich auf einem Niveau, das um 15 % höher als im Vorjahr ist. Mit 30 % sind Benzin und Diesel ebenfalls echte Preistreiber. Das wird nur noch von Heizöl und Flüssiggas (LPG) übertroffen. Hier sind fast 80 % mehr als gegenüber dem Vorjahr. Die meisten chemischen Grundstoffe werden aus China importiert und kosten 18 % mehr. Selbst das Nadelschnittholz macht Waldbauern das Leben schwer. Im gewerblichen Handel ist eine Preissteigerung von 51 % zu beobachten.
Diese Liste ist noch lange nicht vollständig. In allen Bereichen ist jedoch klar, wie gravierend die Folgen für das betriebliche Ergebnis sein werden. Fragt sich, wie Landwirte diese Kosten noch finanzieren können. Vor allem, wenn die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft nicht in gleichem Maße einsteigen. Die explodierenden Kosten könnten sogar die Einkommen sinken lassen. 2021 ist schon und wird noch weiter ein schweres Jahr für die Agrarwirtschaft werden. Ob eine Konsolidierung ab der zweiten Jahreshälfte kommt, ist derzeit alles andere als sicher.