Eine heute weit verbreitete und immer wieder gebetsmühlenartig von Scharen von Finanzberatern und Bankern wiederholte Anlegerweisheit von Erasmus lautet: „Vertraue nicht all deine Waren einem einzigen Schiff an.“ Diese Regel bedeutet, sein Geld auf mehrere Anlageformen zu verteilen, um Risiko und Rendite auszubalancieren. Der Fachbegriff lautet: Diversifikation. Wer dem Geheimnis der Diversifikation auf die Spur kommen will, muss das Zusammenspiel von Anlagemöglichkeiten genauer unter die Lupe nehmen. Erforscht hat es der amerikanische Ökonom Harry Markowitz schon in den 1950er Jahren. Er stellte fest: Wie gut ein zusätzliches Investment das Risiko in einem Depot dämpft, hängt von den Korrelationen ab. Korrelationen sind ein Maß für den Gleichlauf von zwei Wertpapieren und können Werte zwischen minus eins und plus eins annehmen. Plus eins bedeutet perfekter Gleichlauf. Minus eins dagegen heißt, dass das eine Investment fällt, wann immer das andere steigt. Bei null erscheinen beide Kursverläufe vollkommen unabhängig voneinander.
Nehmen wir nun an, dass sich die Kurse von zwei Investments A und B nicht parallel bewegen. Dann gleichen die Gewinne von A etwaige Verluste von B zumindest teilweise aus. Dabei gilt die Faustregel: Je geringer der Gleichlauf, desto stärker werden die Verluste gedämpft, desto deutlicher sinkt also das Risiko im Portfolio. Das leuchtet ein.
Ein Beispiel: Ölaktien schwanken stark mit dem Ölpreis. Deshalb fällt ein Depot aus zwei Öltiteln deutlich, wenn der Preis für Öl einbricht. Aktien von Fluglinien profitieren dagegen üblicherweise von einem Ölpreisverfall, weil dadurch Kerosin billiger wird. Ein Portfolio aus einer Öl- und einer Fluglinienaktien federt einen Einbruch des Ölpreises deshalb eher ab und ist risikoärmer.
Am besten funktioniert das Ganze, wenn sich die Investments überwiegend gegenläufig bewegen. Das Ziel beim Zusammenstellen von Anlageportfolios ist es, Anlageformen miteinander zu kombinieren, die sich gegenläufig zueinander verhalten. Fachmännisch ausgedrückt hört sich das dann in etwa so an: kombiniere Anlagen in deinem Portfolio miteinander, die negativ korreliert zueinander sind. Der Clou an der Sache: Ein Portfolio lässt sich so diversifizieren, dass sein Risiko geringer ist als das Risiko all seiner Bauteile. Darin liegt die Kraft der Diversifikation. Markowitz nannte diesen Effekt das Einzige, was es bei der Geldanlage sozusagen kostenlos gibt.
So weit die Theorie. Die Wirklichkeit ist natürlich viel komplizierter. Denn Korrelationen sind keine festen Größen. Im Gegenteil: Sie sind sprunghaft und sind ständigen Veränderungen ausgesetzt. Das Problem ist, dass die Korrelationskoeffizienten ausgerechnet dann nach oben schießen, wenn es an den Finanzmärkten kracht. In Crashphasen nimmt der Gleichlauf von Anlagen häufig zu. Der positive Effekt der Diversifikation verschwindet und die Verluste im Depot wachsen.
In den letzten Jahrzehnten am Finanzmarkt konnten die Anleger eine gestiegene Gleichrichtung der weltweiten Märkte beobachten. Die Korrelationen stiegen an und erschwerten die Diversifikation zunehmend. Für die gestiegene Korrelation an den weltweiten Finanzmärkten können letztlich zwei gravierende Gründe gefunden werden. Erstens: die Finanzkrise hat zu erheblichen Regierungsinterventionen weltweit geführt. Die Märkte wurden mit enormen Geldmengen geflutet. Das Ergebnis dieser Geldschwemme nennt man Everything Bubble. Egal welche Teilbereiche des Finanzmarktes sich der Anleger anschaut. Überall sind die Bewertungen in astronomische Höhen geschossen und haben eine lukrative Investition somit unmöglich gemacht. Diese Alles-Blase entzieht sich einer vernünftigen Analyse und Bewertung. Nur eines ist mit Gewissheit zu sagen. Diese gigantische Alles-Finanzblase wird eines Tages ihre Nadel finden und platzen.
Zweitens: Kein Anleger will die nächste grosse Abwärtsbewegung an den weltweiten Kapitalmärkten mitmachen. Market-Timing erlebt heute eine Renaissance. Dieses hektische Kaufen und Verkaufen aufgrund kurzfristiger Marktschwankungen, führt zu einer erhöhten Gleichrichtung der Börsen.