Inflation kommt vom lateinischen Wort für „aufblähen“ und bezeichnete ursprünglich die Ausweitung der ungedeckten Geldmenge. Gemeint ist damit
- die Produktion von mehr Münzen aus der gleichen Edelmetallmenge durch Zumischung unedler Metalle,
- das Ausstellen zusätzlicher Lieferscheine, ohne dass die gelagerte Menge zunimmt,
- die Vergabe zusätzlicher Kredite, ohne dass die Sicherheiten zugenommen haben, und
- der Ankauf von Schuldtiteln aus eigens dafür künstlich geschöpften Geldmitteln.
Das allgemeine Preisniveau umfasst nicht nur die täglichen Konsumausgaben, sondern ist deutlich weiter gefasst. Auch die deutlichen Kurssteigerungen beispielsweise an den Aktienmärkten oder Immobilienpreise haben Einfluss auf das allgemeine Preisniveau. Gold etwa ist 2021 um knapp 13 Prozent im Preis gestiegen.
In der volkswirtschaftlichen Forschung gibt es eine einfache Faustformel zur Ermittlung der Inflation. Danach berechnet sich die Inflationsrate entsprechend dem Wachstum der Geldmenge minus dem Wirtschaftswachstum. Das ist logisch. Denn normalerweise sollte die Geldmenge bei einem gesunden Geldsystem durch die Wirtschaftsleistung eines Staates gedeckt sein. Steht der Geldvermehrung keine entsprechend gestiegene Wirtschaftsleistung gegenüber heißt das Ergebnis Inflation. Für Deutschland ergibt sich dieser Berechnungsmethode entsprechend für das Jahr 2020 eine Inflationsrate von über 16 Prozent – also weit mehr als es die offiziellen Daten von 0,5 Prozent suggerieren. Laut Europäischen Zentralbank von Anfang Januar 2021 stieg nämlich die umfassendste Geldmengendefinition M3 im Euro-Währungsraums um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und dieses Wachstum hat sich 2020 deutlich beschleunigt. Laut einer Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) wird das BIP im Jahr 2020 in Deutschland aber um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken.
Ist das aber der einzige Grund, warum die Behörden in Deutschland, in den USA und in vielen anderen Ländern die Inflationsraten gern nach unten rechnen? Wohl kaum. Ein Zitat des berühmten britischen Ökonomen John Maynard Keynes (1883-1946) dürfte es auf den Punkt bringen: „Mit dem kontinuierlichen Prozess der Inflation kann der Staat heimlich und unbeachtet einen großen Teil des Reichtums seiner Bürger konfiszieren. Mit dieser Methode können die Regierungen nicht nur konfiszieren, sondern willkürlich konfiszieren (. . .) Der Prozess stellt alle verborgenen Kräfte der ökonomischen Gesetze in den Dienst der Zerstörung, und er macht es auf eine Art und Weise, die nicht einer aus einer Million Menschen zu erkennen vermag.“
Diese Ausweitung der ungedeckten Geldmenge täuscht – im Gegensatz zu einer Ausweitung der gedeckten Geldmenge – über das Ausmaß der real vorhandenen Güter und Ersparnisse und setzt eine ungerechte Umverteilung von Vermögenswerten in Gang. Heute wird Inflation meist als Synonym für Teuerung verwendet. Der Preisanstieg ist jedoch nur eine Folge der Inflation. Während die Ausweitung des Konsum- und Investitionsgüterangebotes den Reichtum einer Gesellschaft mehrt, gilt das jedoch nicht für die Ausweitung der Geldmenge ohne entsprechende Erhöhung der Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft. Die Geldmengenausweitung führt lediglich zu einem Umverteilungseffekt. Ökonomen sprechen vom sogenannten Cantillon-Effekt. Dieser beschreibt, dass sich eine Erhöhung der Geldmenge nicht automatisch gleichmäßig unter allen Wirtschaftsteilnehmern verteilt, sondern in Kaskadenform in alle Bereiche einer Volkswirtschaft einströmt. Diese stufenförmige Ausbreitung lässt natürlich gewisse Gruppen (Banken, staatsnahe Firmen oder politisch begünstigte Gruppen) zuerst profitieren; vor allen anderen.
Zinsen als Einnahmequelle funktionieren für Investoren und private Kleinanleger schon lange nicht mehr. Vorbei die Zeiten wie Anfang der 90er-Jahre als es mehr als acht Prozent pro Jahr mit Bundesschatzbriefen gab. Die magere oder Minusrendite wird nun jedoch von der Inflation in die Zange genommen: Viele Jahre war die Geldentwertung niedrig, ja je nach politischer Sichtweise geradezu ein Resultat der EZB-Niedrigzinspolitik. Denn eine Geldschwemme führt dem Lehrbuch nach schließlich zu steigenden Preisen. Dagegen lag die Inflationsrate in Deutschland 2015 bei gerade einmal 0,5 Prozent. Ende 2016 schlug das Pendel auf 1,7 Prozent aus. Im Januar 2017 wurde die magische Grenze von zwei Prozent gerissen. Die reale Geldvernichtung war wieder in Deutschland angekommen: Inflation und Nullzins-Politik gleichzeitig.
Doch das für deutsche Verhältnisse „hohe“ Niveau flachte dann wieder deutlich ab und lag im September 2020 mit -0,2 Prozent sogar unter null. Diese Zahlen betreffen jedoch immer den gesamten „Warenkorb“ des Statistischen Bundesamts. Je nach Lebensstil, Vermögen, Interesse oder Anlagemotiven schlagen indes die realen Preise für die jeweilige Produktklasse zu, lange Jahre bei Energie, vor allem aber bei Immobilien, deren Preise zweifelsohne erst durch das billige Geld nach oben getrieben wurden. Dabei strebt die EZB übrigens eine Inflationsrate von zwei Prozent an und würde auch eine höhere Zahl tolerieren. Die derzeitige Rate ist ihr also zu niedrig.
Trotz des Nichtvorhandenseins einer Teuerung warnen führende Ökonomen wie der frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn gerade angesichts der Geldflutung und aus dem Ruder gelaufenen Verschuldung vor den Folgen – in Form von Inflation oder gar Deflation. Entscheidend für das Verständnis unseres Geldsystems ist nämlich besonders auch die Deflation, die Reduktion der Geldmenge. Die ungedeckte Geldmenge kann durch Rückzahlung von Krediten sinken, wenn nicht zugleich mehr neue Kredite vergeben werden, oder durch Zahlungsausfälle von Schuldnern, auch verschuldeten Staaten. Deflation tritt heute meist im Zuge der wirtschaftlichen Verwerfungen durch Inflation auf. Es handelt sich dann entweder um eine Phase, in der das Vertrauen aufgrund einer Wirtschaftskrise so niedrig ist, dass weniger Kredite vergeben werden als Schuldner zahlungsunfähig werden oder zurückzahlen. Oder aber es handelt sich um verzweifelte Interventionen des Staates oder der Zentralbanken, die versuchen, die Folgen vorheriger Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Diese Art von Deflation entspricht einer Enteignung der Sparer. Heute wird Deflation meist als Synonym für Vergünstigung verwendet. Vergünstigung kann eintreten, wenn die Geldmenge sinkt. In der Regel tritt sie aber durch Produktivitätswachstum auf und bedeutet steigenden Wohlstand.
Was ist nun schlimmer, Inflation oder Deflation? Deflation ist die notwendige Folge von Inflation. Denn früher oder später nähert sich aufgeblähtes »Fiat-Geld« seinem inneren Wert null an. Verteuerung ist schlimmer als Vergünstigung, denn Erstere steht für Verarmung, Letztere für Wohlstandswachstum. Alle Vertreter der berühmten Wiener Schule (unter anderem Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek) standen einer inflationären Politik ablehnend gegenüber, da Inflation eine versteckte und damit besonders unehrliche Steuer ist, die sparsame Menschen bestraft und Politikgünstlinge belohnt. Darum ist Inflation politisch so beliebt und wird auch von der EZB angestrebt, und es wird bewusst Angst vor Deflation gemacht – wobei fälschlicherweise sinkende Preise mit krisenhafter Geldmengenkontraktion gleichgesetzt werden. Der Ökonom und Sozialphilosoph österreichischer Herkunft und einer der bedeutendsten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, Friedrich August von Hayek erkannte bereits frühzeitig, dass man nicht ein wenig Inflation haben kann. Denn ein wenig Inflation führt immer zu mehr Inflation und höhere Inflation unweigerlich zu noch höherer Inflation. In meinen Augen beschreibt Hayek hier das „Öffnen der Büchse der Pandora“. „Die Büchse der Pandora“, stammt aus der griechischen Mythologie. Die Überlieferung sagt, dass Pandora die erste Frau gewesen sei, die es auf der Welt gab. Der Göttervater Zeus erschuf Pandora einst aus Lehm, um die Menschen und den jungen Titanen Prometheus für das Stehlen des Feuers der Götter zu strafen. Eines Tages gab der listige Zeus der wunderschönen Pandora eine geheimnisvolle Büchse. Diese sollte Pandora an alle Menschen weitergeben, aber ihnen verbieten, sie zu öffnen. Doch Pandora hielt sich nicht an die Absprache. Zu groß war ihre Neugier. Was befand sich in der Büchse? Alles Schlechte! So breiteten sich Krankheiten, Tod und Übel über die Menschheit aus. Zeus hatte seine Rache bekommen. Aus diesem Mythos entstand schließlich die heute bekannte Redewendung „die Büchse der Pandora öffnen“. Er wird heute so interpretiert, dass das Öffnen der Büchse zum Entweichen der darin befindlichen Übel führt, welche dann in der Welt sind und dann dort Leid und Kummer verursacht. Und Inflation ist sicherlich als eines dieser Grundübel der heutigen Zeit zu betrachten. Ist sie einmal in Gang gesetzt, kann sie nicht mehr kontrolliert werden. Mainstream-Ökonomen und Zentralbanker sollten sich dieser Kontrollillusion, dem Glauben, Vorgänge kontrollieren zu können, die objektiv betrachtet, nicht kontrollierbar sind, nicht hingeben.