Man kennt ihn aus der griechischen Mythologie: den Riesen Prokrustes, den Unhold und Wegelagerer. Prokrustes bot Vorbeireisenden ein Bett an, und wenn sie sich freiwillig nicht hineinlegen wollten, zwang er sie hinein in das „Prokrustes-Bett“.
Waren die Reisenden zu lang für die Liegestätte, hackte er ihnen die Gliedmaßen ab, bis sie hineinpassten; waren sie zu kurz für das Bett, streckte er sie auf seinem Amboss solange, bis sie die richtige Größe hatten. Prokrustes machte also passend, was nicht passend war.
Der Euro ist gewissermaßen so etwas wie ein Prokrustes-Bett. Viele Länder liegen derzeit im Euro-Prokrustes-Bett, haben sich anfänglich mit großer Euphorie freiwillig hineingelegt, mussten nicht einmal dazu gezwungen werden. Nachdem das anfängliche Hochgefühl verflogen ist, zeigt sich, dass einige Teilnehmerländer nicht den Anforderungen, die die Teilnahme am Euroraum auferlegt, genügen können oder genügen wollen. Sie haben vor allem den Südländern schwere Kapitalverluste beschert. Unternehmen haben ihre Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Das Wachstum ist geschwächt. Vorbei ist der Traum von der wohlstandsbringenden Kraft der Einheitswährung.
Bemühungen zu reformieren, wachstumsförderliche Strukturen zu schaffen sind nicht zu erkennen. Das Gegenteil ist eher der Fall. Man setzt allenthalben auf staatliche Planwirtschaft, in der die Staaten zusehends darüber bestimmen, was wann wie und wo zu produzieren ist.
Das ist kein Zufall, es kann nicht überraschen. Denn der Euro folgt einer Eigenlogik: Er kann und wird nur Bestand haben, wenn die freie Marktwirtschaft immer weiter, Stück für Stück zurückgedrängt wird.
Denn nur so lassen sich die politisch störenden wirtschaftlichen Leistungsunterschiede, die zwischen den einzelnen Ländern bestehen, einebnen, und zwar indem die wirtschaftlich noch relativ starken Länder geschwächt werden relativ zu den wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Ländern.